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Quer durch Berlin

16.10.2012  ·  Breitensport Erwachsene
sechster Oktober zweitausendzwölf

Wenn sich fünf Männer aus dem Do8er (--> Hartwig Leibner, Sigurd von Boetticher, Stefan Kießler, Dirk Brebbermann und Steuermann Rainer Keßler) auf den Weg machen, um an der legendären (immerhin 83ten) Regatta "Quer durch Berlin" in einem geliehenen Doppelvierer teilzunehmen, ist das entweder oder. Wer will, kann sich selbst seinen Reim darauf machen. Wer nicht, lässt es halt. Also der Reihe nach...

Im Prinzip hatte alles so etwas wie bei Asterix und Obelix an sich: Bevor man sich in das große Abenteuer begibt, muss man sich stärken. Und genau das taten wir. Freitag um 08:30 Uhr in der Früh war Brunchen beim Mercure am Rathaus angesagt. Auswahl, Qualität und Menge haben uns davon abgehalten aus dem Fenster zu sehen. Es wäre auch nicht so erfreulich gewesen, weil es regnete...

Gegen halb elf beschlossen wir dann, dass das uns alles gar nicht stört, gingen zu Sigurds Auto, verabschiedeten uns von Dirk, weil der arme Kerl noch schnell zur Arbeit musste und erst am Abend wieder zu uns stoßen konnte, und fuhren los. Und dann das Übliche: Sperrung der Auffahrt, Schlenker hier und Schlenker da – dann waren wir endlich auf der Piste gen Osten und es regnete...

Erstaunlicherweise war die Stimmung trotz der vielen, wenn auch unterschiedlichen Grautöne gut und die Bemerkungen, dass es sich nur um kurze Huschen handeln würde, die da das Wasser auf die Scheiben prasseln ließen, fanden immer mehr Gehör, je näher wir uns der Hauptstadt näherten. Und plötzlich, völlig unerwartet und unfassbar für alle, standen wir nicht nur im Stau, sondern auch die Scheibenwischer. Die Wetterlage änderte sich auch nicht, bis wir gegen zwei im Jugendgästehaus in Wedding, unserem altersentsprechenden Quartier angekommen waren. Jetzt galt es allerdings, den konzentrierten Blick auf den Fußweg zu richten, weil man schon so etwas ähnliches wie ein Stepptänzer wurde, denn es galt einen Tritt in die reichlich vorhandenen Tretminen zu vermeiden. Das hat auch geklappt.

Nach dem Einchecken und dem Kauf einer Tagesgruppenkarte für die Öffis gönnten wir uns eine kurze Pause, denn die Glieder sollten gereckt und gestreckt werden, bevor wir durch Berlin stöbern wollten. Ganz wichtig war, vorher beim Italiener um die Ecke schon mal fünf Plätze für den nächsten Abend zu ordern – man kann ja nie wissen… Letzteres klappte jedoch nicht, weil der noch geschlossen hatte. Macht nichts, weiter ging's.

Zunächst war Manufactum, dieses wunderbare Warenhaus angesagt, um eine kleine Reise in die Kindheit zu machen. Danach fuhren wir mit etlichen Umsteigereien zur Warschauer Straße, um von dort in die Simon-Dach-Straße zu gehen. Dort fing es auch wieder an zu regnen… Ein Lernerfolg der Fahrt zeichnete sich ab: Es wurde zunehmend von wahrscheinlich nur kurzen Huschen gesprochen – auch dann, wenn man Mühe hatte durch das Kneipenfenster die Fußgänger zu sehen. Optimismus ist halt was Feines. Jedenfalls wollten wir jetzt warten, bis Dirk, der von Hartwig per Telefon zu uns dirigiert wurde, auch da war. Das entpuppte sich jedoch als das nächste Problem, denn wegen eines Unfalls standen die Straßenbahnen still.

Macht nichts, dachten wir, denn Bier ist geduldig und Dirk sitzt im Trockenen. Dem war denn nicht so, aber irgendwann kam er pudelnass aus der entgegengesetzten Richtung zu uns. Es war inzwischen 19 Uhr durch, Dirk hatte bei seinem ersten Bier des Tages viel zu erzählen und wir hatten Hunger. Frei von Regen schlenderten wir diesen internationalen Kneipenboulevard entlang – eine gute Vorbereitung auf den nächsten Tag. Die Wahl fiel auf ein indisches Lokal, weil die wohl doch eine recht bekömmliche Küche haben. Im Hinblick auf die Vorhaben des nächsten Tages – wir waren ja schließlich nicht wegen der Esserei nach Berlin gefahren – eine richtige Entscheidung. Das Essen war gut, das indische Bier kam in die Rubrik "Erfahrungen sind da um gemacht zu werden".

Im Regen beschlossen wir zunächst mit der Straßenbahn zu fahren. Jetzt war das Glück auf unserer Seite, denn ein ebenso kundiger wie auskunftsfreudiger Jung-, Gast- oder sonst wie Berliner erklärte uns, dass wir mit dieser Bahn bis Wedding fahren konnten ohne umsteigen zu müssen. Das dauerte zwar etwas länger, die Sozialstudien, die wir auf der nahezu dreiviertelstündigen Fahrt treiben konnten, entschädigten uns reichlich. In Wedding angekommen, ging es schnurstracks zum Italiener und: der hatte für Samstag noch keine Reservierung. Die lief dann auf Herrn "Fummel". Das ist ein internationaler Begriff in der Kneipenscene, denn diesen Namen kann jeder nach Gehör schreiben. Im Dauerkiosk nebenan wurde noch das Wasser für die Nacht gekauft und danach war Nachtruhe angesagt.

Frühstück war auf 08:30 Uhr festgesetzt – wir wollten ja im Rhythmus bleiben. Vorher musste jedoch bei dem Frollein an der Rezeption eine Schadensmeldung abgegeben werden. Das ging so: "Der Waschbeckenabfluss zwischen unseren Zimmern ist leck!" - "Er ist wohl verstopft?" - "Nein, der ist durchgefault." - "Das ist ganz schlecht, heute kommen keine Handwerker!" - "Wenn wir uns über der Duschtasse die Zähne putzen, ist das auch in Ordnung." - "Sie wollen also ein neues Zimmer?" - "Nein, bloß nicht – ich will's ihnen nur sagen!" - "Ach so – soll ich's dann mal aufschreiben?" Für diese messerscharfe Erkenntnis lobte ich sie im Namen des Hauses.

Nach dem Morgenmahl fuhren wir zum Sattelplatz, um den "Roten Adler" zu suchen, den wir uns vom Ruderclub Wannsee geliehen hatten. (Diese Leihgabe war übrigens ein Resultat vom Leine-Head, wo ein entsprechender Kontakt mit einem Ruderkameraden von diesem Ruderclub geknüpft werden konnte.) Wir fanden den "Roten Adler" schließlich auch auf einem Bootstrailer unter einer Brücke. Das war so eine "Black Box" einige Generationen zuvor. Ein erfahrenes Boot also.
Aber von den Wannseeern war leider noch keiner da, so dass wir zurück ins Quartier fuhren, um uns regattafertig zu machen. Natürlich regnete es wieder - aber nur eine kleine Husche lang.

High Noon war es dann soweit: Sigurd fuhr uns – diesmal in voller Wettkampfausrüstung - vorsichtshalber Marke "Wetterfest" - wieder an den Bootsplatz, lud Stefan, Dirk und mich aus, damit der rote Vogel aufgeriggert werden konnte. Er selbst fuhr mit Hartwig weiter zum Zielbereich, um dort schon einmal den Wagen abzustellen. Das war schlau. Wir Verbliebenen gingen zunächst zum Regattabüro, um die notwendigen Formalitäten zu erledigen, und suchten anschließend den Kontakt zu den Wannseer Kollegen. Das ging alles ganz reibungslos und der Adler bekam seine Flügel montiert. Um uns herum kurvte eine ältere Dame vom Ruderverein Bramsche (von der Größe her war sie wohl die Dauersteuerfrau des Vereins) in weißer Trainingskleidung mit frisch gewaschenen Back- und Steuerbordsocken, beäugte uns permanent und fragte schließlich ebenso harsch wie deutlich: "Waren sie schon zum Wiegen?" Da stellte sich auch gar nicht die Frage: "Und was ist, wenn nicht?" Oder die Aussage: "Darauf verzichten wir heute!" Das ging gar nicht – so bestimmt war ihre Artikulation. Oh je, das war die gefühlte Stunde der Wahrheit für den Steuermann. Stefan begleitete mich zu dieser Prozedur und: Trotz Herzklopfen und gesamter Ausrüstung blieb ich, wenn auch knapp, unter der von mir gesetzten Schallgrenze! Zwar nicht deutlich, aber immerhin beruhigte es etwas. (Was man sich doch für einen Blödsinn einreden kann!)

Ein Ausrüstungsteil ist allerdings im Boot geblieben. Es war die schon fast historische Aluminium-Flüstertüte, die mir Michael Schablack vom Schülerbootshaus zu treuen Händen geliehen hat. Dirk hat sie mit Argusaugen bewacht. Wieder zurück, wurde sie anprobiert und festgemacht. Natürlich riss dabei ein morsches Gummiband – die Uhr hätte man danach stellen können. Zum Glück waren Kollegen vom Berliner Ruderclub in der Nähe, die mir leicht amüsiert schmunzelnd einen roten Schnürsenkel spendierten. Der war auch lang genug, so dass auch noch eine Schleife gebunden werden konnte. Die Junghirsche um uns herum betrachteten mich wie einen Außerirdischen. Wir hatten unseren Spaß dabei und Sigurd fütterte mich durch die Tröte mit einer doppelten Portion Traubenzucker. Dafür revanchierte ich mich mit getrockneten Bananen, musste mich aber dabei auslassen, weil man nicht weit genug in den Trichter fassen konnte. Das machte nichts, denn zum Zusetzen hatte ich ja genug.


Rainer Keßler

Dann endlich war es an der Zeit, dass der "Rote Adler" mit der Startnummer 87 schon einmal Richtung Steg gebracht werden konnte – zuerst natürlich die Blätter. Endlich im Wasser, wurde auch die Flüstertüte "aufgesetzt" - zur Freude der Älteren am Ufer, die mich aufforderten, doch mal ein paar Töne von mir zu geben. Ich sagte ihnen dann, dass mich schließlich ältere Männer transportieren sollten, die schon hin und wieder Probleme mit dem Hören hätten, und mit diesem Gerät würden wir auf der sicheren Seite sein. Das fanden sie gut und bedanken sich. Die Jüngeren waren dagegen voller Misstrauen – so etwas hatten sie wohl noch nie in ihrem Leben gesehen. Zu denen sagte ich nur: "Das ist analog, nicht digital!" Dieser Hinweis trug nicht wesentlich zu ihrem Verständnis bei. Das machte auch nichts, denn das Rennen der einzelnen Mannschaften war schließlich viel wichtiger. Irgendwann ging es dann auch für uns los: Sieben lange Kilometer wollten bewältigt werden. Übrigens: Es regnete nicht!

Die Jungs vom Do8er gaben alles: Zu einem ebenso guten und rhythmischen wie kräftigen Streckenschlag gesellte sich die Erkenntnis, dass Steuern in unbekannten Gewässern ziemlich anstrengend sein kann. Natürlich wurden wir auch überholt. Der Hammer war allerdings die Aufforderung einer Steuerfrau an ein überholendes Boot: "Platz da, ihr seid auf unserer Ideallinie!" Ja, ja, die Gene. Im Ziel hat sie wahrscheinlich nach dem Frauenanleger gefragt. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits.

Wir sind immerhin als Dritte unserer Altersklasse (<55) da auch angekommen – allerdings auf den letzten 500 Metern im leichten Regen. In der Rückschau haben wir dabei ordentlich Glück gehabt, denn kaum hatten wir das Boot aus dem Wasser geholt, ging ein Wolkenbruch auf uns nieder, der durch eisigen Wind so richtig unangenehm wurde. Keiner von uns ist in seinem Leben jemals so schnell durchgeweicht worden wie in dieser Viertelstunde. Wir suchten sogar den Windschatten der Bäume, um diesem Sturm zu entgehen. Aber: Hätten wir noch auf der Spree gerudert, wäre das deutlich schlimmer gewesen.

Nach dieser Intensivhusche griffen sich Stefan und Hartwig die Skulls und machten sich auf die Suche nach dem Bootstransporter. Wir stutzten derweil dem Alder die Flügel. Nach gefühlt endloser Zeit trudelten sie auch wieder ein – mit der frohen Botschaft: "500m diese Richtung!" Trotz unseres Schlotterns beschlossen wir, vor der Entsorgung des Bootes noch ein Regattabier am Ziel zu trinken, denn so eine kleine Belohnung hatten wir ja schließlich auch verdient. Außerdem mussten dort die Startnummern ja auch noch abgegeben werden, denn das war schließlich Bares. Das Bier schmecke zwar, aber es war so furchtbar kalt, das wir uns entschieden, die Sache mit dem Adler klar zu machen und zum Duschen ins Quartier zu fahren. Zum Glück stand der Wagen dann ja in unmittelbarer Nähe.

Wir gingen also zum Boot, das zunächst vom Wasser befreit werden musste. Das klappte nur mit Umkippen, denn es war mindestens 15cm hoch mit Wasser gefüllt. Anschließend auf die Schultern damit und im Gleichschritt lange 500 Meter zum Transporter – Sigurd kümmerte sich um die Ausleger und das Steuer. Das sah aus wie bei einem Lastesel. Kurz nachdem wir im Wagen saßen, beschlugen die Scheiben dermaßen, dass die Klimaanlage auch in ihrer höchsten Stufe Probleme hatte, die Scheiben klar zu bekommen. Eile mit Weile – wie die Ägypter immer sagten – irgendwann schaffte auch sie das. Es war nur die Feuchte von Innen – draußen war alles insofern trocken als nichts vom Himmel fiel. Das versöhnte etwas.

Das Duschen war eher ein Abbrühen, so gravierend waren die Temperaturunterschiede. Im Ergebnis schaffte es die Heizung der Zimmer bis zum nächsten Tag nicht, die Sachen auch nur annähernd zu trocknen… Dann war es endlich neunzehn Uhr: Der Gang zum Italiener stand an! Es war immer noch trocken – keine Husche weit und breit. Die hätte uns auch nicht gestört, so einen Schmacht hatten wir. Vorweg: ein großes Bier, denn die Dusche zuvor war ja nur äußerlich. Dann eine Suppe: von wegen kleine Schale. Diese Größenbezeichnung kannte er nicht. Rotwein dazu – aber bitte nicht jedes Glas einzeln! Als Hauptgang verdonnerten wir uns dann zu der legendären Pizza des Lokals mit individuellen Belägen. Die Dinger sind da so groß, dass der Wirt sie hochheben muss, um an den Tellerrand zu kommen, damit er sie transportieren kann. Aber nix mit breitem Teigrand – voller Belag selbstverständlich! Bitte noch einmal Wein, ein bisschen Averna und wer will ein bisschen Ramazotti. Dann zum Finale, damit es danach auf dem Heimweg nicht so doll gluckst: Cassatta zum Verfüllen.

Und jetzt sind wir wieder bei Asterix und Obelix: Nach dem großen Abenteuer saßen sie zusammen, erzählten (die Regatta war schon Vergangenheit) und scherzten (Berlin 2013 ist so gut wie gebucht) und ließen es sich gutgehen, bis ihnen die Löffel aus den Händen fielen...

Übrigens: keine Husche auf der Rückfahrt, sondern die pralle Sonne. Ach, wie ist das Leben schön!

Rainer Keßler

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